Das Gauder Fest in Zell am Ziller hat sich als größtes und wichtigstes Frühlings- und Trachtenfest Österreichs mit internationalem Format etabliert. Es ist aber nicht nur eines der bedeutendsten, sondern auch eines der ältesten Volksfeste im Alpenraum. Die Ursprünge des Gauder Festes reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück.
Bereits im Jahre 1428 erwähnten venezianische Kaufleute einen Kirchtag und Jahrmarkt in Zell. Während viele andere historisch gewachsene Feste im Laufe der Zeit verschwanden, blieb das Gauder Fest in seinen Grundzügen bis heute erhalten. Dieser Tradition wurde mit der Aufnahme des Gauder Festes in die Liste der immateriellen Kulturerbe der UNESCO im Jahr 2014 Rechnung getragen.
Der Name „Gauder“ leitet sich nicht, wie viele vermuten, vom Wort „Gaudi“ – mundartlich für Fröhlichkeit – ab, sondern vom „Gauderlehen“ der Brauerei Zillertal Bier, auf deren Grundstücken das Fest ursprünglich stattfand. Dieses „Gauderlehen“ liegt rund zehn Minuten von der Ortsmitte entfernt.
Erst seit 1950 wird das Gauder Fest im Dorfzentrum gefeiert. Schon immer war die örtliche Brauerei, Zillertal Bier, unmittelbar mit dem Fest verbunden: Nach alter Tradition öffnete am ersten Wochenende im Mai der Brauereibesitzer die Stadel des Gauder-Anwesens.
Auch Gambrinus, der Jahr für Jahr seine schützende Hand über das Zillertaler Gauder Fest hält, ist keine Erfindung der Gegenwart: Seit Jahrhunderten wird Gambrinus als Schutzheiliger des Bieres und König der Bierbrauer verehrt. Wenngleich die historische Person des Gambrinus bis heute nicht eindeutig belegt ist: Der Mythos rund um den Bierkönig hält sich im Zillertal bis heute. Demnach war Gambrinus ein belgischer Edelmann, der sich in eine Edelfrau verliebte. Weil er von ihr nicht erhört wurde, verkaufte er seine Seele an einen Kobold und erhielt dafür im Gegenzug die Gunst der Edelfrau – und das Rezept für ein neues Hopfengetränk, das seither die Menschenherzen erfreut.
Wohl auch als Dank dafür ist Gambrinus Jahr für Jahr beim großen Gauder Umzug dabei. Schützend thront er auf dem historischen „Gambrinuswagen“ mit dem riesigen Bierfass. Das war in den 1930er-Jahren nicht anders als heute, wie Fotos aus alten Gauder Fest Archiven eindrucksvoll belegen.
Wie jeder Kirchtag kannte und kennt auch das Gauder Fest berühmte Wettbewerbe:
Dieser Wettkampf entwickelte sich mittlerweile zum berühmtesten Ranggler-Wettbewerb des Alpenraums. Die historisch-gewachsene Sportart um den Titel des „Gauder Hogmoar“ dürfte aus dem wettkampfartigen „Hosenrecken“ oder „Hosenlupfen“ entstanden sein.
Die jungen Burschen des Dorfes, auch „Mairraffar“, „Hagmair“ und „Roblar“ genannt, kämpften mit vollem Einsatz – und lediglich mit Hemd und Hose bekleidet – um den Sieg. Ursprünglich waren auch keine „Weibs-Personen“ unter den Zuschauern geduldet, da der Athlet im Kampf oft das Hemd verlor und nur noch im Beinkleid dastand. Ein Sieg bedeutete Triumph und Prestige - nicht so sehr in persönlicher Hinsicht als viel mehr für das eigene Dorf, Tal und Land des Siegers; eine Niederlage hingegen eine Schmach für die ganze Region. Die „Hagmair“ kamen auch aus anderen Landesteilen oft tageweit angereist, um ihre Kraft zur Schau zu stellen. Diese alte Tradition hat sich in Form des „Ranggelns“ bis heute erhalten.
Gekämpft wird auf einer Wiese, bekleidet mit Leinenhemden und Hosen. Nach der Kampffreigabe wird innerhalb von sechs Minuten versucht, den Gegner aufs Kreuz zu werfen. Liegt einer der Kämpfer mit beiden Schultern auf dem Boden, ist der Kampf beendet. Nicht erlaubt sind beim Ranggeln Würgetechniken und Gelenkhebel.
„Beide Hakler fertig, zieht!“ lautete das Kommando am Sonntag Nachmittag. Nach alter Tradition konnten sich Teilnehmer im Fingerhakeln, Handumlegen und Hufeisenwerfen messen. Kampfspiele wie das „Hufeisenwerfen“, „Fingerhakeln“ oder „Handumlegen“ gibt es im Alpenraum schon seit Jahrhunderten. Sie wurden seinerzeit zu sonntäglichem Vergnügen oder bei Kirch- und Markttagen ausgetragen. Im Gegensatz zum „Raufen“ oder „Ringen“ eigneten sich das „Handumlegen“ und „Fingerhakeln“ auch fürs Wirtshaus. Das Fingerhakeln beispielsweise gab es bis 1950 am Gauder fest als eigenen Bewerb.
Bei allen Bewerben ging es immer um die körperliche Kraft. Kraft und Ausdauer bestimmten im vorindustriellen Maschinenzeitalter über den wirtschaftlichen Erfolg in der Land- und Forstwirtschaft. Die Burschen und Männer nutzten diese Umstände, um über Kraft und Geschicklichkeit bei Kampfspielen ihren Rang im Dorfleben festzulegen.
Zuchttierausstellungen waren in frühen Gauder Zeiten fixer Programmpunkt und beliebte Fest-Attraktion. Durch die günstige Verkehrslage von Zell (durch Zell führt der Weg weiter ins Talinnere, sogar nach Südtirol und über den Gerlospass ins benachbarte Salzburg) trafen sich an diesem Verkehrsknotenpunkt früher die Bauern um mit Waren und Tieren zu handeln, Erfahrungen auszutauschen und den „Zehent“ (kommt aus der biblische Tradition, ein Zehntel des Einkommens Gott zu opfern, indem es der Kirche übergeben wird) abzuliefern.
Bis heute wird die Tradition der Zuchttierausstellungen weitergeführt, mit dem Unterschied, dass früher noch das Kaufen, Tauschen oder Verkaufen im Mittelpunkt stand und heute die Kürung von Prachtexemplaren der im Zillertal traditionellerweise gehaltenen Rinder-, Pferde-, Schaf- und Ziegenrassen.
Zu den Höhepunkten des Gauder Fests zählte lange Zeit das Widderstoßen, das der uralten Tradition der europäischen und asiatischen Hirtenkultur entspringt. Es dürfte damals der kulturhistorisch älteste Tier-Wettkampf am Gauder Fest gewesen sein.
Das Widderstoßen unterlag genauen Regeln und Ritualen, die schon bei der Aufzucht beginnen: Die Jungtiere, die später im Widderstoßen gegeneinander antreten, werden nach einem bestimmten Nahrungsregime aufgezogen. Die Böcke müssen zwischen vier und sechs Jahren alt sein: Unter vier Jahren sind ihre Hörner für den Kampf noch zu weich. Böcke mit mehr als sechs Jahren fügen sich aufgrund ihres Gewichts zu große Verletzungen zu.
Am Tag des Widderstoßens führten die beiden Züchter oder Besitzer ihre Böcke nach alter Tradition auf den Kampfplatz. Von einer Distanzlinie in einem Meter Abstand voneinander nehmen sie gegenseitig Aufstellung. Dann werden die Tiere sich selbst überlassen. Im Gegensatz zu Kühen beginnen die Böcke normalerweise sehr schnell mit dem Kampf, so wie sie dies auch in freier Natur tun. Entschieden ist der Kampf in der Regel, wenn sich ein Tier abwendet. Der siegreiche Widder erhielt als Krönung ein Abzeichen oder einen „Buschen“. Der Kampf der Widder entspricht übrigens dem normalen Revierverhalten der Böcke, den man auch auf der freien Weide beobachten kann.
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